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Nicholas Lens: FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem (Review)

Artist:

Nicholas Lens

Nicholas Lens: FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem
Album:

FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem

Medium: CD/Download/Do-LP
Stil:

Progressive Klassik, Oper, Weltmusik

Label: Intuition Music
Spieldauer: 76:39
Erschienen: 27.09.2024
Website: [Link]

„Für mich ist das Einzige, was das Leben erträglich macht, das Wissen, dass es zu Ende gehen wird, denn dies zu akzeptieren ist der einzige Weg, das Leben bedingungslos und frei zu genießen. Es hat mich viele lange Reisen gekostet, sowohl körperlich als auch geistig, um zu dieser offensichtlichen Einsicht zu gelangen.“ (NICHOLAS LENS im Jahr 1993)

Wie gehen wir mit dem Tod um?
Wer macht sich darüber eigentlich keine Gedanken?
Manchmal werden die erst angestoßen, wenn man unmittelbar selber mit dem Tod Nahestehender konfrontiert wird. Oder/Und wenn einen die Kunst (Musik, Theater, Malerei, Literatur, Film) darauf verweist, da neben der Liebe eben auch der Tod eins der Hauptthemen ist, denn die Liebe verzückt uns, während der Tod bedrohlich immer und überall auf uns lauert...
...so wie auch bei „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“, einem melodramatischen, epochenübergreifenden Meisterwerk der zeitgenössischen Musik des belgischen Komponisten NICHOLAS LENS.


Eigentlich ist die Begrifflichkeit 'Meisterwerk' für dieses außergewöhnliche Stück der zeitgenössischen Musik, das im Grunde von der Klassik über die Oper bis hin zum progressiven Rock alles in sich vereint und wie (um beim Bild, welches der Albumtitel vermittelt, zu bleiben) ein riesiges Flammenmeer in sich verschlingt, um es dann wie Hephaistos, der in der griechischen Mythologie Gott des Feuers, in unendlichem Schein zum Strahlen zu bringen.

In der gleichermaßen utopischen wie philosophischen und gesellschaftskritischen Geschichte „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“ aber geht es um einen anderen Flammen-Gott: Flammarius, der Feuergott, begibt sich mit seinem Gefolge auf die Erde, um dort eine illustre Gesellschaft zu unterhalten. Hierfür lässt er sich etwas ganz Besonderes einfallen, denn die Unsterblichen (also Götter) sollen in die Haut von Sterblichen (demnach Menschen) schlüpfen, um so am eigenen Leib Gefühle wie Schmerz, Eifersucht und Todesangst zu erleben. Alle Beteiligten scheinen von der Idee begeistert und Flammarius zündet sich zufrieden eine Zigarre an. Das noch nicht erloschene Streichholz wirft er achtlos auf die Erde, wo es eine Feuersbrunst entfacht, wie sie noch nie zuvor ein Sterblicher erlebt hat.

Übrigens ist vieles von dem hier Erwähnten im Inneren des Gatefoldcovers dieser Doppel-LP, die aus Anlass des 30-jährigen Jahrestags dieses Albums neu aufgelegt wurde, nachzulesen, in der NICHOLAS LENS selber ausgiebig alle Hintergründe zur Musik wie Geschichte analysiert und beschreibt.


FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“ ist ein berauschendes, dramatisches Musik-Werk von ungeahnter Schönheit, das man nicht laut und hoch genug feiern kann – und das man heutzutage locker mit einer wagnerschen Oper wie „Der Ring der Nibelungen“ oder „Tristan und Isolde“ und, der grandiosen Chorgesänge wegen, der orffschen „Carmina Burana“ in einem Atemzug nennen sollte. Nur ist dieses Musikereignis von NICHOLAS LENS über 160 Jahre später im Jahr 1993 entstanden und verhalf dem belgischen, 1957 in Ypern geborenen Komponisten NICHOLAS LENS zwar zu internationalem Ruhm, auch wenn er trotz solchen Meisterwerks nie auf die Ebene gehievt wurde, auf welcher die sog. Klassiker heutzutage thronen und es mit dem Teufel und dem Feuer zugehen müsste, bis man sie von diesem stößt. Jedenfalls hätte ein NICHOLAS LENS als zeitgenössischer Opernkomponist das Zeug dazu.

Zugleich ist das vor 30 Jahren entstandene Werk der erste Teil einer späteren Trilogie, zu der dann noch „Terra Terra“ und „Amor Aeternus“ hinzukamen und die dann als Ganzes den Titel „The Acchacha Chronicles“ trug, wozu Lens betont, dass er seinerzeit diese „The Acchacha Chronicles“ als ein Ritual ansah, das stark von den magischen Kräften außereuropäischer Kulturen beeinflusst wurde: „Da die natürliche Qualität einfacher Todes-Szeremonien oft im scharfen Kontrast zu den überorganisierten und daher spirituell geschwächten Zeremonien der westlichen Welt steht, stellt 'Flamma Flamma' den Tod als einen natürlichen Teil des kosmischen Lebensprozesses dar.“


Diesbezüglich besticht „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“ durch seine extrem ungewöhnliche Instrumentierung, in der neben klassischem Kammerorchester (THE GONDWANA ORCHESTRA), gemischtem Chor (FLEMISH RADIO CHOIR) und sechs klassisch ausgebildeten Gesangsolisten beispielsweise eine japanische Koto (MAKIKO GOTO), vielfältige Schlaginstrumente und drei Naturstimmen zum Einsatz kommen, sodass sich diese eruptive Klanggewalt als eine Komposition jenseits aller Konventionen und Grenzen entfaltet, die den Opernliebhaber wie den Freund moderner und progressiver Klänge gleichermaßen verstören wie begeistern kann.

Doch nicht nur das. Für viele ist sicher auch neu, dass Lens bereits mehrfach sehr eng mit NICK CAVE zusammenarbeitete und neben „Shell Shock“, einem Kriegsrequiem, das die durch den Krieg verursachten Traumata thematisiert, und „L.I.T.A.N.I.E.S.“, das während der Pandemie '12 Bittgebete an den göttlichen Schöpfer' erschuf, zwei weitere, unglaublich tief gehende, melodramatische Werke schuf.
Werke, welche genau die Aura in sich tragen wie „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“.


Wer plötzlich und völlig überraschend – genauso wie der Kritiker, welcher diese Zeilen verfasste – „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“ von NICHOLAS LENS in den Händen hält und im ersten Moment voller Erschrecken feststellt, dass es sich hier wohl um eine Oper dreht (Wo der Schreiberling doch Opern schon seit seiner Kindheit nicht ausstehen konnte, weil er als Schüler von seinen Lehrern in solche Aufführungen geschleppt wurde und dort stundenlang die Klappe zu halten hatte, während dort irgendwelche Typen unverständliche Texte in den außergewöhnlichsten Tonlagen lauthals in den Raum 'trällerten'!), ihn dann aber, kaum dass diese Doppel-LP sein erstes feuriges Klangspektrum über ihm entflammt, völlig fasziniert – wohl auch weil dieses Todesszenario so deutlich und andersartig wahrzunehmen ist, dass man sich diesem einfach nicht entziehen kann. Da bleiben all die klassischen Opern (aus der Schulzeit) weit hinter zurück, die oft auf die Dauer in Eintönigkeiten ersaufen, während die Flammen rund um Lens' „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“ höher und höher schlagen.


FAZIT: Der Tod als gleichberechtigter und nicht gefürchteter Bestandteil des Lebens. Für viele inakzeptabel – für den belgischen Meisterkomponisten NICHOLAS LENS aber ein ganzes orchestrales, philosophisch angehauchtes Meisterwerk, das alle klassischen Grenzen im progressiven Moderne-Schritt samt Chorälen und natürlichen Instrumenten sowie einem japanischen Koto (ein japanisches Saiteninstrument, das einer liegenden Zither ähnelt) sprengt. „FLAMMA FLAMMA – The Fire Requiem“ ist unglaublich und mitunter unbeschreiblich, wobei es am besten die im Inneren des Gatefoldcovers enthaltenen Worte desjenigen auf den Punkt bringen, der diese klanggewaltige, epochenübergreifende Demonstration aus Klassik und Moderne im Jahr 1994 schuf, welche nun, 30 Jahre später, auf einer Doppel-LP ihre feurige Wiederauferstehung feiert: „Das Feuer-Requiem war und ist eine Suche nach Harmonie zwischen gegensätzlichen Elementen: die hochqualifizierten klassischen Gesangsolisten im Gegensatz zu den rohen, ungeschliffenen natürlichen Stimmen; der natürliche Brückenschlag zwischen diametral entgegengesetzten Stilen und Epochen; die Akzeptanz der Vermischung der reichen, alten, aber müden europäischen Kultur mit der Kraft und oft überraschenden Frische völlig entgegengesetzter Kulturen. 'Flamma Flamma' betont die rein menschlichen Gefühle am kosmischen Übergang, unabhängig – und daher respektvoll – von allen bekannten Philosophien.“


Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 773x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Seite A (18:27):
  • Deliciae Meae (4:55)
  • Sumus Vicinae (4:59)
  • Flamma Flamma (3:19)
  • Complorate Filiae (4:14)
  • Seite B (19:44):
  • Ave Ignis (4:44)
  • Tegite Specula (6:06)
  • Vale Frater (4:13)
  • Amice Mi (4:41)
  • Seite C (19:48):
  • Hic Iacet I (5:41)
  • In Corpore (4:59)
  • Hic Iacet II (9:08)
  • Seite D (18:40):
  • Corpus Inimici (5:26)
  • Agnus Purus (5:57)
  • Ardeat Ignis (7:17)

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